HESSEN. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) bauen ihre Promotionsmöglichkeiten aus. Damit entwickeln sich auch die Forschungslandschaften dynamisch weiter. Kurzum: Die HAWs befinden sich im Wandel. Eine zunehmend größere Zahl an Nachwuchswissenschaftler*innen prägt ihr Profil. Vor diesem Hintergrund untersucht die Studie „HAW_WiNS – Wissenschaftlicher Nachwuchs an hessischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“ erstmals systematisch die Situation von Promovierenden und Postdocs an HAWs in Hessen. Die Ergebnisse der Studie zeigen nun: Die hessischen HAWs sind nicht nur seit Langem exzellente Lehr- und Lernorte, sondern haben sich inzwischen auch als leistungsstarke Forschungs- und Promotionsstandorte im Land etabliert.
„Die Promotionsmöglichkeiten an unseren HAWs gehören insbesondere seit der Einführung des eigenständigen Promotionsrechts in Hessen fest zum Hochschulprofil. Sie tragen entscheidend zur Stärkung der anwendungsnahen Forschung bei“, sagt Prof. Dr. Andreas Brensing, Vizepräsident für Forschung, Entrepreneurship und Wissenschaftskommunikation der Hochschule RheinMain, an dessen Hochschule die Studie entstanden ist. Ihm stimmen seine drei Kolleginnen zu: „Die Studie bietet eine fundierte Grundlage, damit wir Promotionsstrukturen noch weiter entwickeln und wissenschaftlichen Nachwuchs gezielt fördern können“, sagen Prof. Dr. Susanne Rägle, Vizepräsidentin für Forschung, Transfer und Internationalisierung der Frankfurt University of Applied Sciences, Prof. Dr. Nicole Saenger, Vizepräsidentin für Forschung, Transfer und Nachhaltige Entwicklung der Hochschule Darmstadt, und Prof. Dr. Martina Ritter, Vizepräsidentin für Forschung und Transfer der Hochschule Fulda.
Wissenschaftlicher Nachwuchs stärkt Forschung und Lehre
Promovierende und Postdocs – Letzteres sind Wissenschaftler*innen, die nach Beendigung einer Promotion den Doktorgrad erlangt haben und anschließend befristet tätig sind – leisten einen zentralen Beitrag zur Forschungsstärke der HAWs, unter anderem durch Publikationen, Drittmittelakquise und Tagungsbeiträge. Die Studie zeigt außerdem, dass rund die Hälfte der Befragten während der Promotion internationale Erfahrungen sammelt, etwa durch die Teilnahme an wissenschaftlichen Tagungen. „Unsere Promovierenden tragen auch wesentlich zur Lehre an den HAWs bei und stärken damit die Verbindung von Forschung und Lehre. Die Studie untermauert damit noch einmal unsere Erfahrungen aus dem Hochschulalltag“, betonen die Vizepräsident*innen der hessischen HAWs weiter.
Dabei sind die Gründe, aus denen sich die Befragten für ihren eigenen beruflichen Weg entschieden haben, äußerst vielfältig. Die von den Studienteilnehmer*innen genannten Promotionsmotive reichen von wissenschaftlichem Erkenntnisinteresse bis hin zum Wunsch, gesellschaftlich relevante und praxisnahe Fragestellungen zu bearbeiten. Auch die berufliche Perspektive auf eine (HAW-)Professur spielt laut Studie eine wichtige Rolle bei der Entscheidung zur Promotion.
Chancengleichheit und Standortbindung
HAWs leisten noch dazu einen wichtigen Beitrag zur Chancengleichheit: „Zwei Drittel der Befragten stammen aus nichtakademischen Elternhäusern“, hat das Autor*innenteam der Studie, bestehend aus Dr. Sabine Fähndrich, Dr. Tanja Grendel, Dr. Elias Keller und Dr. Daniel Hanss, herausgefunden. Während die Wahl des Promotionsortes häufig auf Basis bereits bestehender Kontakte zur Hochschule erfolgt, etwa aus dem Masterstudium, ist für mehr als 80 Prozent der befragten Promovierenden auch die Beziehung zur Betreuungsperson ausschlaggebend. Mehr als drei Viertel der Befragten gehen davon aus, ihre Promotion erfolgreich abschließen zu können. Auch werden gute Forschungsbedingungen als äußerst wichtig eingeschätzt. Im Schnitt sind Promovierende an HAWs älter als an Universitäten: So fällt der Anteil der Über-30-Jährigen höher aus. Ein Viertel hat Kinder, über ein Drittel übernimmt regelmäßig Care-Tätigkeiten.
„Diese und weitere Erkenntnisse der Studie bieten wichtige Impulse für die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung von Promotionsstrukturen an HAWs in Hessen und verdeutlichen die Notwendigkeit, den wissenschaftlichen Nachwuchs als tragende Säule der akademischen Kultur an HAWs gezielt zu fördern“, zieht das Autor*innenteam sein Fazit. „Wir wollen als HAWs unsere Rolle im Wissenschaftssystem sowie unseren Beitrag zur Fachkräftesicherung und Innovationskraft des Landes nachhaltig stärken. Dafür sind die Erkenntnisse aus der Studie besonders wertvoll“, resümieren auch Rägle, Saenger, Ritter und Brensing.
Weitere Informationen zur Studie
Die Studie „HAW_WiNS – Wissenschaftlicher Nachwuchs an hessischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“ richtet den Fokus auf die Merkmale der Promovierenden und Postdocs sowie auf die Struktur und den Verlauf der Promotion. Betrachtet werden zudem Motivation und Entscheidungsprozesse, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, internationale Mobilität, Betreuungssituationen sowie Austausch- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Erhebung wurde an den vier großen hessischen HAWs durchgeführt – der Frankfurt University of Applied Sciences, der Hochschule Darmstadt, der Hochschule Fulda und der Hochschule RheinMain. Angeschrieben wurden von August bis Oktober 2024 rund 630 Promovierende, Promotionsinteressierte, Promovierte und Postdocs, von denen sich rund 53 Prozent beteiligt haben. Die Studie enthält zudem Vergleiche mit Daten der bereits etablierten „Nacaps“-Studie (National Academics Panel Study), in der bislang überwiegend Universitäts-Promovierende im Fokus stehen.
Fragen an das Autor*innenteam unter Befragung-Hessen@hs-rm.de